Zum Einen:
Universell hochbegabt, begnadet, voller Talente, Teil eines winzigen Prozentsatzes der Menschheit.
Zum Anderen:
Unglücklich, unverstanden, unzufrieden, unfähig im Umgang mit sich und Anderen.
Wie geht das zusammen?
Anders Sein - Leben und Umgang mit der Andersartigkeit
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[Ein wenig Prosa für den Anfang...]
...große Vögel müssen fliegen...
Sehen Sie ihn vor sich? Den riesigen großen Vogel, der sich auf seinen weiten Schwingen mit der Thermik des Windes in den Himmel hinaufschraubt? Der irgendwann so
hoch oben, dass unsere Augen ihn - wenn überhaupt - nur noch als Punkt wahrnehmen können, sanft majestetisch segelnd seine Kreise zieht? Spüren Sie, wie seine
Gedanken Flügel haben und die Geheimnisse der Welt ergründen können, so nah am Himmel, so fern der Erdverhaftung? Er ist meist allein dort oben in der unendlichen Weite ohne Grenzen in vollkommener
Freiheit, die er so sehr liebt und braucht. Manchmal ist er etwas einsam, denn es gibt nicht viele, die ihm ähnlich sind - wenige Lebewesen können fliegen. Noch weniger ziehen so hoch oben ihre
Bahnen, tanzen mit dem Wind und streifen die auch anstrengende Weite des unendlichen Horizonts. Die Sinne des großen Vogels sind überaus scharf und stets hellwach auch kleinste Details seiner
Umgebung wahrzunehmen. Er kann, wenn er etwas entdeckt hat, das es zu greifen gilt, innerhalb kürzester Zeit mit einigen hundert Stundenkilometern und der Kraft einiger Tonnen in seinen Fängen wieder
auf die Erde hinunterstürzen. So manches Mal ist er übervoll und braucht eine Weile, um all die vielen Eindrücke die er tagtäglich sammelt zu sortieren, zu verarbeiten. Braucht Zeit zum Ausruhen, zum
Liebe und Geborgenheit tanken. Bedarf dafür immer auch der Ruhe der Erde und eines warmen Nestes im Baumwipfel am Boden. Sind auch Sie beeindruckt von diesem so eigenen Wesen des großen Vogels, dass
ihn von den meisten Erdenbewohnern irgendwie abhebt, ihn so anders macht?
Jetzt stellen Sie sich vor, ein solcher Vogel liefe tagtäglich am Boden herum ohne zu wissen, dass er Flügel hat. Oder, wenn er dies schon ahnte, so doch ohne zu
wissen, dass und wie man damit fliegt. Stellen Sie sich vor, er trüge das Gefühl des sich Unterscheidens von seiner Umgebung, des Andersseins als die ihn umgebenden Erdenbewohner in sich und verstehe
dieses Gefühl nicht. Fühle sich nie so ganz am richtigen Platz, nie so ganz zu Hause. Verstehe häufig die Verhaltensweisen seiner Umgebung nicht und stoße auch mit seinen Verhaltens- und
Wahrnehmungsweisen oft auf Unverständnis. Ahnen Sie, wie dieser große Vogel, der sich selbst nicht recht begreift und niemanden hat, der ihm helfen kann mit seiner Andersartigkeit ”artgerecht”
umzugehen, ständig von einer unbestimmten Sehnsucht getrieben wird? Sich am engbestellten Boden dauernd verletzt und immer trauriger und unzufriedener wird?
Und nun stellen Sie sich vor was geschähe, wenn er sich als das, was er ist, begriffe und begänne seinem Wesen gemäß zu leben...
Sehen Sie ihn vor sich? Den riesigen großen Vogel, der sich auf seinen weiten Schwingen mit der Thermik des Windes in den Himmel hinaufschraubt...
...große Vögel müssen fliegen...
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Ein paar allgemeine Worte zur Hochbegabungsthematik von Larissa Laë
Hochbegabte werden in der Literatur häufig eingeteilt in: “erfolgreiche Hochbegabte”, ”Latente” und ”Underachiever”.
Die Ersteren nutzen ihre Potenziale weitestgehend aus und sind sehr erfolgreich im Beruf. Meiner Erfahrung nach geraten gerade einige derer in ihren hohen
Führungs- oder Öffentlichkeitspositionen irgendwann mit ”Burn-Out” oder Ähnlichem an die Grenzen ihrer (emotionalen) Belastbarkeit, zumal sie häufig keine ausgewogene Work-Life-Balance
leben.
Die Zweiten nutzen ihre Potentiale zumindest in einem Maße, dass sie ein einigermaßen gutes Auskommen und Arrangieren mit der Gesellschaft hinbekommen. In der
Regel sind sie sich ihrer aussergewöhnlichen Fähigkeiten nicht wirklich bewußt und viele haben früh gelernt sich zumindest teilweise zu verstellen und das volle Ausmaß ihrer Fähigkeiten zu
verstecken um nicht allzusehr aufzufallen oder anzuecken.
Die Letzteren scheitern meist bereits sehr jung am Umgang mit der eigenen Andersartigkeit bzw. der empfundenen Andersartigkeit ihrer Umgebung, am Unverständnis
und mangelnder Aufmerksamkeit des Umfeldes bezüglich ihrer besonderen Bedürfnisse: sie verweigern sich und landen damit schnell am Rande unserer Gesellschaft im Kreise von Drogen, ohne Schulabschluß,
Beruf, Einkommen, Anerkennung oder Ähnlichem.
Ich denke, die meisten Hochbegabten haben selten eine wirkliche Erklärung für das, was sie wahrnehmen und was (mit) ihnen geschieht. Vielen, auch den
erfolgreichen Hochbegabten, ist häufig ihre Andersartigkeit nicht mit Namen und schon gar nicht mit all ihren Facetten und Auswirkungen bekannt.
Facetten wie
- Eine besonders schnelle Auffassungsgabe
- Die Fähigkeit zu vernetztem und weit vorausschauendem Denken
- Aussergewöhnliches eigenes Urteilsvermögen
- Entscheidungsfreudigkeit und großes Verantwortungsgefühl
- Neugier und der Drang alles verstehen zu wollen
- Oft nur bei Interesse, dann aber sehr hohe Konzentrations- und Leistungsfähigkeit
- Extreme Feinfühligkeit und Wahrnehmungsfähigkeit für eigene und fremde Befindlichkeiten, Emotionen und Stimmungen
- Häufig ungewöhnliche
Emphathiefähigkeit und charismatische Ausstrahlung
- Oftmals vorhandene zusätzliche "Hochsensibilität" und verbundene Überlastungs- und Überforderungsempfindungen (Geräusche, Gerüche, Menschenmengen, Input etc.
etc.)
- Oft der Widerspruch von Scheu, Introvertiertheit, Unsicherheit und Selbstzweifel neben dem gleichzeitigen Wunsch gesehen zu werden und sich mit seinen Talenten
zu zeigen
- Der wohl typische extrem ausgeprägte Gerechtigkeitssinn und
- Der vielleicht unvermeidliche Perfektionismus
um nur einige wenige jener Facetten zu nennen.
Hier ein Beispiel für Schwierigkeiten mit den Auswirkungen von Hochbegabung: wenn sich Hochbegabte ihrer Andersartigkeit, ihrer ungewöhnlichen Fähigkeiten nicht
bewußt sind, erwarten sie von ihrer Umgebung ein ihrem eigenen Verhalten und Empfinden entsprechendes Handeln und Verhalten. Erfahren sie ein abweichendes Verhalten, sind sie häufig gekränkt und
verletzt, ohne sich gewahr zu sein, dass andere vielleicht nicht nicht wollen, sondern oft einfach nur nicht das können, wozu sie selbst so selbstverständlich in der Lage sind. Hier wurzeln meines
Erachtens tiefe Verletzungen und Selbstwertproblematiken. Ein zentrales Thema in puncto Hochbegabungsberatung ist daher für mich die Beschäftigung mit emotionalen Verletztheiten und ein Erlernen des
Umganges damit.
Eine andere Einteilung, die sich in der Literatur findet, bezieht sich auf die Art der (Hoch-) Begabung:
Es gibt beispielsweise die sofort ersichtlichen ”Wunderkinder”, das heißt solche, die sich in einer einzelnen sogenannten Domäne unmittelbar als hochtalentiert
hervorheben. Man denke an mathematische oder musikalische ”Genies”, die meist sehr früh beachtet und gefördert werden.
Es gibt diejenigen, die ihre Fähigkeiten eher verstecken bzw. die nicht für jeden unmittelbar als Hochbegabte erkennbar sind.
Es gibt die Spätentwickler bei denen sich eine Hauptdomäne erst spät herausbildet.
Ebenso gibt es beispielsweise die universell begabten sogenannten Multitalente. Sie können Vieles aussergewöhnlich gut und haben jedoch oft unüberwindliche
Schwierigkeiten damit, sich auf eines ihrer Talente zu beschränken und darin Meisterschaft zu erlangen, wie dies gesellschaftlich gemeinhin erwartet wird.
Meiner Erfahrung nach wohnen auch bei einer solchen Betrachtungsweise wiederum jeder ”Art” der Hochbegabung jeweils für sie charakteristische Schwierigkeiten
inne.
Verallgemeinernd und vereinfachend könnte man formulieren, dass wohl alle Hochbegabten irgendwie in stärkerem oder anderem Maße wahrnehmen, fühlen und
denken als andere. Oft sind sie (und häufig auch ihre Umgebung) genau damit schlichtweg überfordert. Eines meiner Gedichte greift dies auf:
Im Rahmen einer Homepage wie dieser kann nur ein erster, generalisierender und unvollständiger Einblick in die so weitgefächerte Hochbegabungsthematik vermittelt werden. Wirklich passgenaue
Einzelberatung muss meines Erachtens vor allem immer hochgradig individuell stattfinden, um auf die jeweiligen Besonderheiten des einzelnen, so besonderen Menschen angemessen eingehen zu
können.
Gemäß meinem Hauptanliegen ”...große Vögel müssen fliegen..”, möchte ich daher über diese Homepage hinaus in persönlichen Gesprächen und eventuellen Veröffentlichungen meine Erkenntnisse, Erfahrungen
und Hilfestellungen zum Thema weitergeben.
Ich selbst habe als sehr späterkannte Hochbegabte (ich war über 30) einen längeren Weg des Unverstandenseins, Aneckens, teilweise sogar Leidens im privaten und insbesondere beruflichen Umfeld
hinter mir.
Nach der Diagnose der Hochbegabung hatte ich das Gefühl, endlich eine Erklärung für meine seit Kinderfüßen sehr massiv gefühlte und mir von der Aussenwelt auch (meist als negativ) widergespiegelte
Andersartigkeit gefunden zu haben.
Ich war unbeschreiblich erleichtert.
Gleichzeitig war mir diese neue Tatsache auch peinlich und suspekt und ich wagte nicht, mich mit dem Thema Hochbegabung näher zu beschäftigen.
Entsprechend veränderte sich in meinem Verhalten und Erleben zunächst nicht viel.
So geht es, denke ich, Vielen die sich von diesem Thema angesprochen fühlen oder entsprechend diagnostiziert werden. Ich behielt das neue Tabu-Wissen überwiegend für mich und lebte weiterhin, wie ich
es über Jahrzehnte hinweg trainiert hatte: verhielt mich möglichst “normal” und angepasst, versuchte, mich in die oft starren Formen eines ”normalen” Berufes einzugliedern und trachtete danach, mein
Wesen und meine Begabungen bestmöglich zu verstecken, um nur ja nicht negativ aufzufallen. Obwohl ich selbst mich nie für besser sondern immer nur für anders hielt, hatte ich große Angst vor
der typischen abwehrenden Reaktion meiner Umgebung: ”Die hält sich wohl für etwas Besseres”.
Da aber niemand dauerhaft seine Natur und seine Fähigkeiten unterdrücken kann, brechen sie oft ungewollt hervor und führen dann meist zu recht schmerzhaftem Anecken. Beispielsweise, wenn man in
Vorgesetzten ein ihnen in der Regel unbewußtes Unterlegenheitsgefühl auslöst oder mit seinem Perfektionismus, ”Besserwissen” und dem typischen stark ausgeprägten Gerechtigkeitssinn auf Unverständnis
stößt. Vor allem aber kostet es einfach ungeheuer viel Kraft und Energie, sich ständig selbst auszubremsen.
So setzte ich mich einige Jahre später schließlich doch umfassend mit der Hochbegabung und ihren vielfältigen Ausprägungen auseinander. Mit all ihren Facetten, die weit über eine besonders
schnelle Auffassungsgabe oder eine überdurchschnittliche Fähigkeit zu vernetztem Denken hinausgehen. Ebenso mit dem Einfluss der Hochbegabung auf die unterschiedlichsten, insbesondere auch
emotionalen Bereiche des Lebens und Erlebens. Und nicht zuletzt mit den Konsequenzen eines negierenden Umgangs.
Mir erklärten sich bei dieser Beschäftigung unzählige persönliche Erlebnisse und Erfahrungen. Darüber hinaus erkannte ich die Vielfältigkeit meiner Talente und Begabungen. Schließlich begriff ich,
dass Potentiale immer auch ”ans Licht” müssen, dass man zu dem stehen darf und muss, was man kann und ist.
Mich 2008 mit dem Kunst- und Kultur- Projekt GaLarie Laë - die ersten beiden Jahre noch unter dem Namen ”Anders Sein” geführt - selbständig zu machen, bedeutete für mich zum einen,
meinen so vielfältigen Talenten und Interessen einen Wirkungsraum zu schaffen und ermöglichte es mir zum anderen, meine persönlichen Erkenntnisse und Erfahrungen zum Umgang mit der Andersartigkeit
Hochbegabter an andere Betroffene, Angehörige und Interessierte weiterzugeben. Dies führte ich nach Beendigung des GaLarie-Projektes weiter: im Verbund mit einigen wunderbaren Kollegen erlebten
die Räume das Jahr 2016 als cre:activ centrum laë. Seit 2017 finden meine Angebote nun schlicht in meinem Atelier- und Show-Room an selber Adresse statt. Eine schöne Erfahrung über die Jahre: endlich
nicht mehr allein zu sein mit der Andersartigkeit, sie erklärt zu sehen und sich vor allem auch endlich einmal verstanden zu fühlen, kann bereits sehr viel verändern.
Ich wünsche Ihnen von Herzen alles Gute für Ihren persönlichen Weg!
Ihre Larissa Laë